Fennpfuhl 2022
Fennpfuhl? Was ist das? Und wo? Ich habe den Namen schon mal gehört,
aber in welchem Zusammenhang? Stimmt, da gab es die Taufe eines Kindes
aus meinem Freundeskreis in der Villa am Fennpfuhl, in einem schönen Park
gelegen und weiter weg standen Neubauten.
Ich beginne zu recherchieren. Am 1. Dezember 1972 wurde der Grundstein
für die erste und größte Plattenbau-Großraumsiedlung der DDR gelegt,
für das Doppelhochhaus am Roedernplatz. Der Stadtplan zeigt ein großes Areal,
212 Hektar füllt es aus und ist seit der Verwaltungsreform 2001
ein eigenständiger Ortsteil Lichtenbergs.
Ich mache mich neugierig auf den Weg dorthin. Die Gebäude wirken freundlich,
farblich schön gestaltet. Die Grünanlagen sind weiträumige Oasen
zwischen den Neubaublöcken. Nichts wirkt eng oder dunkel. Es gefällt mir dort.
Als Malerin bin ich auf der Suche nach besonderer Architektur. Mich interessieren
die Details und die Farbkompositionen. Ich entdecke jede Menge spannende Motive.
Vierzehn Bilder entstehen in den Wochen und Monaten nach meinem ersten Besuch.
Die nächste Phase meiner Annäherung sind Gespräche mit Bewohner_Innen.
Ich habe das Vergnügen, Anwohner_Innen der „ersten Stunde“ zu treffen,
Menschen, die in den Genuss des Erstbezugs gekommen sind.
Fast alle zogen noch auf die Baustelle, das Bauprojekt dauerte Jahre.
Bis 1986 entstanden über 15.000 Wohnungen. Mir wurde berichtet,
dass es zuerst noch keine Straßen, sondern nur Bohlen für die Bagger gab
und das das bezogene Haus vom Baugeschehen umzingelt war. Die Gärten
und die Hundesportstation der Gesellschaft für Sport und Technik,
die sich um den Fennpfuhl herum befanden, mussten weichen.
Eine Familie hatte einen schönen Blick auf den Fernsehturm,
der eines Tages durch den Bau eines weiteren Neubaus verschwand.
Die ersten Hochhäuser entstanden. Einer meiner Gesprächspartner
wohnt in einem Fünfgeschosser, im Volksmund „Intelligenzhäuser“ genannt.
Anscheinend waren die niedrigen Bauwerke begehrter. Ein anderer Mieter,
scheidungsbedingt aus der Karl-Marx-Allee (bis 1961 Stalinallee)
in den Fennpfuhl verzogen, wies darauf hin, dass man „gut behütet“ war,
denn viele Funktionäre, auch die der Staatssicherheit, wohnten natürlich auch dort.
Mich interessiert, wie man zu solch einer Wohnung kam.
Die Großraumsiedlung Fennpfuhl war ein Genossenschaftprojekt der
Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG). Das Berlin der 70er Jahre
ist von Wohnungsmangel geprägt, die Kriegslücken sind immer noch präsent.
Vor allem junge Familien mit Kindern kommen in den Genuss einer Wohnung dort,
die Wartelisten sind lang. Ich frage, wo und wie ihre Wohnungen vor der
im Fennpfuhl waren. Die Erzählungen kommen mir bekannt vor:
Ein- oder Zweiraumwohnungen mit Ofenheizung, ohne Bad und mit Außentoilette
auf der halben Treppe in den eng gebauten Innenstadtbezirken,
das ist mit Kindern schwierig und unkomfortabel. Auch wenn ab und an
ein leises Bedauern aufkeimte, dass die großen hohen Zimmer der Altbauten
und die gewachsene Infrastruktur der alten Kieze vermisst wurden,
der Luxus durch Bad und Zentralheizung machte das allemal wett.
Und die großen Grünflächen, verbunden mit einer optimal angelegten
Infrastruktur erhöhten die Wohnkultur. Die Menschen wuchsen zusammen,
es gab kaum Altersunterschiede und auch der Lebensstandard war ähnlich.
Über viele Jahre gab es wenig Neubezüge. Nach der Wende wurde modernisiert,
die Leute blieben während dieser Zeit in ihren Wohnungen, mussten
auf die Straße gehen, wenn sie die Toilette oder eine Dusche brauchten.
Und die Gebäude wurden farbig gestaltet und damit definitiv verschönt,
das betonen alle Befragten. Heute bröckeln die gewachsenen
nachbarschaftlichen Strukturen, gerade in den kleinen Wohnungen
gibt es häufige Mieterwechsel. Die Alteingesessenen vermissen
das vertraute Miteinander.
Auffallend ist die Zufriedenheit meiner Gesprächspartner_Innen,
ihr Wohnumfeld betreffend. Im Fennpfuhl hat man im Sinne der Bedürfnisse
der Menschen geplant und gebaut. Das Areal ist durchdacht und funktional:
Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungsbetriebe, Schulen und Kindergärten,
Gaststätten, Bibliothek, Sportstätten, Schwimmhalle und eine gute Anbindung
an des Netz des öffentlichen Nahverkehrs.
Happy Birthday, Fennpfuhl
In 1986 over 15,000 apartments had been built. I was told that at first there
were no roads, only planks for the excavators and that the house we occupied
was surrounded by construction activity. The gardens and the dog sports station
of the Society for Sports and Technology, which were located around the Fennpfuhl,
had to give way. A family had a nice view of the TV tower, which one day disappeared
due to the construction of another new building. The first skyscrapers were built.
One of the people I spoke to lives in a five-storey building popularly known as
“intelligence houses”. Apparently the low buildings were more desirable.
Another tenant, who moved from Karl-Marx-Allee (until 1961 Stalinallee)
to Fennpfuhl due to a divorce, pointed out that one was “well looked after”
because many functionaries, including those of the State Security,
naturally also lived there.
I'm interested in how one came to such an apartment. The large-scale settlement
Fennpfuhl was a cooperative project of the workers' housing cooperative (AWG).
Berlin in the 1970s was characterized by a housing shortage, and gaps from
the war are still present. Especially young families with children can enjoy
an apartment there, the waiting lists are long. I ask where and how their dwellings
were before the one in Fennpfuhl. The stories sound familiar to me:
one- or two-room apartments with stove heating, no bathroom and an
outside toilet halfway up the stairs in the cramped inner-city districts are difficult
and uncomfortable with children. Even if every now and then there was a slight
regret that the large, high rooms in the old buildings and the mature infrastructure
of the old neighborhoods were missing, the luxury of the bathroom and central
heating always made up for it. And the large green areas, combined with an
optimally designed infrastructure, increased the living culture. People grew together,
there were hardly any age differences and the standard of living was similar.
For many years there were few new covers. After the reunification, modernization
took place, people stayed in their apartments during this time and had to go out
into the street if they needed the toilet or a shower. And the buildings were
designed in color and thus definitely beautified, as all respondents emphasized.
Today, the established neighborhood structures are crumbling, especially
in the small apartments there are frequent changes of tenants.
The long-established miss the familiar togetherness.
The satisfaction of my interlocutors with regard to their living environment is striking.
The Fennpfuhl was planned and built with people's needs in mind. The area is
well thought out and functional: shopping facilities, service providers, schools
and kindergartens, restaurants, libraries, sports facilities, an indoor swimming pool
and good connections to the public transport network.
Happy Birthday, Fennpfuhl